Der Sternekoch Thomas Bissegger liebt es mit Lebensmitteln, Verarbeitungstechniken und Anrichtemethoden zu experimentieren. Seit August 2021 unterrichtet er an der EHL Hotelfachschule Passugg und gibt sein Wissen und seine Experimentierfreude an die Studierenden weiter.
Seit einigen Jahren versucht er sich auch im Fermentieren und unterrichtet nun einen neuen Kurzlehrgang über das Fermentieren und Einlegen für professionelle Köche und ambitionierte Hobbyköche.
Fermentieren ist eine der ältesten Konservierungsmethoden von Lebensmitteln und wurde bereits vor hunderten Jahren angewendet. Für die meisten Fermentationsmethoden braucht es lediglich einen Behälter und etwas Salz und Meerwasser.
Das Wort Fermentation kommt aus dem Lateinischen und ist verwandt mit dem Begriff "fermentum", was Sauerteig bedeutet. In der Biotechnologie spricht man von Fermentation, wenn organische Stoffe mit Hilfe von Bakterien, Pilzen oder Zellkulturen und durch Zugabe von Enzymen (Fermenten) umgewandelt werden. Bei diesem Prozess entstehen Säuren, mit denen Lebensmittel länger haltbar gemacht werden können. Es gibt verschiedene Arten des Fermentierens. Der grundlegende Unterschied ist, ob sie anaerob (ohne Sauerstoff) oder aerob (mit Sauerstoff) ablaufen.
«Jede organische Substanz lässt sich durch einen spontanen, von Mikroorganismen ausgelösten Prozess fermentieren. Das Fermentieren dient zur Konservierung, aber auch zur Veränderung der Geschmackseigenschaften eines Lebensmittels. Es gibt – abhängig vom jeweiligen Rohmaterial und der Art der eingesetzten Mikroorganismen - verschiedene Fermentationsweisen.» Alimentarium
Die Lakto-Fermentation, also die Gärung mit Milchsäurebakterien, ist zum einen gesund, da die Lebensmittel ohne ungesunde Zusatzstoffe oder Zucker haltbar gemacht werden. Zum anderen ist die Fermentation auch nachhaltig, weil die Haltbarkeit der Produkte verlängert wird. Das heisst, wenn ich im Herbst mehr Pflaumen ernte, als ich essen kann, kann ich sie fermentieren und damit haltbar machen. Da die Verschwendung von Lebensmitteln und der damit verbundene Klimawandel ein massives, unvermeidliches Problem ist und auch in Zukunft sein wird, tritt die nachhaltige Fermentierung natürlich wieder mehr in den Fokus der Menschen.
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Des Weiteren hat die Corona Pandemie auch dafür gesorgt, dass Leute wieder mehr Zeit dazu hatten, zuhause in der Küche zu experimentieren und neue Ideen auszuprobieren. Das hat zu einem richtigen Do-it-yourself-Hype geführt. Wofür man vor 10 Jahren ausgelacht wurde, das ist heute im Trend.
Und was man natürlich auch nicht vergessen darf ist der Nostalgie Trend. Vintage, alte Musik, Oldtimers – die Leute versetzen sich gerne zurück in die alten Zeiten. Und um ehrlich zu sein, was gibt es Besseres als Grossmutters Sonntagsbraten? Das ist ein Stück Heimatgefühl und Sentimentalität, die man sich in das Hier und Jetzt zurückholen möchte.
Definitiv! Die Technik der Fermentation wurde bereits vor tausenden vor Jahren angewendet. Die ersten Anzeichen von bewusstem Fermentieren von Lebensmitteln fand man bereits 7000 v. Chr. Zu dieser Zeit haben sie in China aus Trauben, Weissdorn, Honig und Reis Alkohol hergestellt. Schon bald kam dann auch die Herstellung von Käse, Brot, Joghurt, Wein und Essig dazu.
Die Menschen fermentieren also schon seit Tausenden von Jahren. Im Laufe der Zeit haben sich auch die Gründe für die Fermentierung geändert. Während die Fermentierung früher vor allem dazu diente, die Haltbarkeit zu verlängern, werden heute auch Lebensmittel fermentiert, um einem Gericht einen einzigartigen Geschmack zu verleihen.
Man kann fast alles fermentieren! Oder auf jeden Fall kannst du mit allem experimentieren. Wie gut es am Ende ist, siehst du dann, aber deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die gängigsten Lebensmittel, welche fermentiert werden, sind Kimchi, Sauerkraut, Tomaten, Knoblauch oder Pflaumen.
Aber wieso sollte man nicht auch einmal Kopfsalat fermentieren? Ich mag es auszuprobieren und neue Sachen zu testen, nur so kann man neue, innovative Geschmacksnoten entdecken.
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Ich würde mit Pflaumen beginnen. Das Fermentieren von Pflaumen ist am einfachsten und schnellsten. Man hat schnell ein Erfolgserlebnis und ein leckeres Ergebnis, das man gut in Gerichte einbauen kann. Die Herstellung von Kimchi hingegen ist sehr schwierig und kann schnell schief gehen.
Bei der Lakto-Fermentation braucht man nur eine Grundzutat, welche man fermentieren möchte und legt diese dann in eine Salzlake ein. Durch die Fermentation entsteht dann die Milchsäure, welche das Produkt konserviert.
Beim Fermentieren muss man auf zwei Dinge besonders achtgeben:
Als ich Executive Chef im "1904 Designed by Lagonda" in Zürich war, begann ich mich mit der Fermentation zu beschäftigen. Ich kannte die Technik bereits zuvor, aber durch befreundete Köche und Zeitschriften bin ich wieder darauf gestossen und wollte es ausprobieren. Als die Corona-Pandemie kam, hatte ich mehr Zeit zum Experimentieren und entdeckte meine Leidenschaft für die Fermentierung.
Ich finde vor allem den Beobachtungsprozess sehr spannend. Man kann das Produkt und den Fermentations-Prozess beobachten und hat schlussendlich ein spannendes Resultat. Manchmal funktioniert es und manchmal halt nicht. Das ist Teil eines Experiments und macht den Reiz aus.
Des Weiteren bin ich auch einfach von dem einzigartigen Geschmack begeistert. Man redet ja immer von den verschiedenen Geschmacksrichtungen – süss, sauer, salzig, bitter und umami – doch den Geschmack eines fermentierten Produkts kann ich da nirgends wirklich einordnen. Er ist einfach einzigartig. Und das gilt sowohl für den Geschmacks- als auch für den Geruchssinn.
Was das Fermentieren auch super spannend macht, ist das es einfach eine andere Technik ist, welche man nicht alltäglich anwendet. Als Koch schneidet, filetiert, brät, röstet und garniert man sehr oft. Es ist also spannend, einmal eine andere Technik anzuwenden.
Wichtig ist auch noch zu erwähnen, dass bei jeder Fermentation ein Eigenwasser, also ein Essig entsteht. Den sollte man auch unbedingt aufbewahren und in Gerichte integrieren. Dies kann je nachdem dann wie ein Essig, Verjus, Contimento oder Zitronensaft verwendet werden.
Na klar! Ein Experiment kann gelingen oder nicht. Ich wollte einmal Koji-Gerste herstellen, was ein sehr heikles Experiment ist, man braucht eine Wärmekammer und alle Faktoren müssen genau stimmen. Am Ende ging das Experiment aber ziemlich schief und die Koji-Gerste war ungeniessbar.
Heidelbeeren und Pflaumen. Das sind zwar eher einfache Produkte zum Fermentieren, aber sie machen Spass. Man hat ein schnelles Erfolgserlebnis und man kann die Produkte gut in Gerichte integrieren. Ich werde auch beide Komponenten in meinem Menü von meinem Kurzlehrgang "Fermentieren & Einmachen" verwenden.
Ich würde gerne an den Koji Gerste weiterexperimentieren. Da man dazu aber eine Wärmekammer braucht, ist es ziemlich aufwendig, da muss ich zuerst einmal Zeit dafür finden.
Die fermentierte Komponente eines Gerichts ist häufig nicht der Hauptdarsteller auf dem Teller, ausser bei Kimchi. Meistens ist es eine ergänzende Komponente zu den anderen Produkten. Man darf sich auch nicht vorstellen, dass man ein ganzes Menü nur mit fermentierten Komponenten aufstellen kann, das wäre viel zu arbeitsintensiv.
Bries | Knoblauch | eingelegter Estragon | Sellerieessig
Ja, die meisten Studierenden finden Fermentation auch ein spannendes Thema, daher verwende ich einen Teil des Unterrichts dazu, ihnen mehr über den Fermentationsprozess beizubringen. Im Unterricht zeige ich dann meistens, wie man Pflaumen fermentiert. Wir bereiten das Experiment dann zusammen vor und beobachten den Prozess über einen längeren Zeitraum.
Weil ich es ein spannendes Thema finde, dem keine Grenzen gesetzt sind. In dem Kurs wird es nicht nur um das Fermentieren gehen, sondern auch um das Einlegen und Kochen im Allgemeinen. Ich habe ein spannendes Menü zusammengestellt und freue mich darauf, es mit den Teilnehmern zu kochen.
Wir werden das folgende Menü vorbereiten, kochen, anrichten und essen:
Bries | Knoblauch | eingelegter Estragon | Sellerieessig
Frittierte Kalbsmilke mit Laugenbrot, fermentierte Knoblauchpaste und eingelegter Estragon, Knollensellerie-Püree, Sellerie-Essig, frischer Estragon, Estragon-Öl
Ceviche | Ume Boshi | Salzzitronen
Ceviche vom Zander, eingelegte Salz-Zitronen, Ume Boshi Pflaumen
Korianderöl, Korianderkresse, Bohnen-Sud
Wachtel | Rande | fermentierte Heidelbeeren | Rotkabis | Sauerampfer
Sautiertes Wachtelbrüstchen, eingelegte Rande, fermentierte Heidelbeeren
Rotkabis-Espuma und getrocknete Sauerampferblätter, Shisokresse
Rind | Rettich | Sherry Zwiebeln | Chorizo
Kurz gebratenes Hohrückensteak, Rettich-Salat und gepickelter Rettich Pastinakencrème, Kalbsjus, Sherry-Zwiebeln und Kräuteröl, Rettichsprossen
Chorizo-Öl
Weisser Spargel | Buttermilch | Yuzu
Fermentierter, eingelegter Spargel, Buttermilch- Chantilly, Yuzu- Kuchen
Sauerrahm-Eis, Yuzu-Gel
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Der Kurs richtet sich einerseits an professionelle Köche, die noch wenig Erfahrung mit Fermentation haben und sich in diesem Bereich weiterbilden möchten. Andererseits eignet sich der Kurs auch für begeisterte Hobbyköche, die ambitioniert sind und mehr als nur ein feines Kartoffelpüree herstellen wollen.
Möchten Sie hautnah erleben, wie man Lebensmittel fermentiert und in ein Gericht integriert? Dann besuchen Sie den halbtägigen Kurzlehrgang mit Thomas Bissegger.
Alle Informationen und die Anmeldung finden Sie auf der Website.